JIL SANDER im Museum Angewandte Kunst

JIL SANDER im Museum Angewandte Kunst 

'Mich interessiert das Neue, das erst kommt.'



Mit der Ausstellung 'Jil Sander. Präsens' zeigt das Frankfurter Museum Angewandte Kunst (MAK) mit umfangreichen Gestaltungsmitteln ein Gesamtkunstwerk einer herausragenden Modeschöpferin. 


So werden die Kreationen, die von dezenter Farbigkeit und formaler Strenge geprägt sind, in der geradlinigen und lichtdurchfluteten Architektur des Museumsbaus präsentiert, der wie für die Ästhetik Jil Sanders gemacht zu sein scheint. 


Über Wandpfeile werden die Besucher durch den ersten Teil der Ausstellung geführt und gelangen so zunächst in eine multimediale Präsentation einer Modenschau. Diese wird auf drei große Leinwandflächen projiziert, die leicht schräg aneinander platziert sind. Verdoppelt werden die Aufnahmen durch eine wandgroße Spiegelfläche an der Rückseite des Raumes. Der Betrachter genießt dadurch eine Allansichtigkeit, die in der Ausstellung noch eine große Rolle spielen soll. Der Blick findet lediglich Ruhe auf den geraden und schlichten Kleidern, die die Schau präsentiert. Der darauffolgende Bereich, in den der Besucher gelangt, ist mit großflächigen Modefotographien und Kleiderstangen gestaltet, die für das Charakteristikum für das Setup des backstage-Bereiches einer Modenschau stehen. Zudem erstreckt sich über eine  große Wandfläche eine Fotocollage der Showroom-Looks der spring/summer Kollektionen aus den Jahren 2013 und 2014. Verlässt man diesen Teil der Ausstellung, gelangt man zu den Ursprüngen einer jeden Modeproduktion: die Ideenfindung und erste Skizzenzeichnungen.


Gezeigt werden an dieser Stelle sog. Moodboards, die Skizzen, Stoffproben und angedeutete Schnitte der Designerin darlegen. Vorstellbar sind diese wie facettenreich angelegte Skizzenbücher. Thematisch unterlegt wird dieser Bereich von großflächigen weißen und schlichten Schnittmustern, die die Wand darüber verzieren. 




Mit der Modenschau beginnend und bei der Ideenfindung endend, durchlaufen die Besucher den Entwicklungsprozess einer Kollektion in strenger Richtung rückwärts. Die Anordnung der Ausstellung unterstreicht so perfekt das Modeverständnis Jil Sanders, das von großer Zeitlosigkeit geprägt ist. 



'Man braucht Sensibilität für die architektonischen Gegebenheiten, und man muss der Versuchung widerstehen, jede Leere zu füllen.'

Auf der zweiten Etage bietet das MAK einen Eindruck in architektonische Arbeiten der Modeschöpferin, u.a. in die Entwürfe für ihren ersten Flagship-Store, der in Paris im Jahr 1993 eröffnete. Dieses Konzept entstand unter der Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Architekten Michael Gabellini. Prägnant werden auch für die späteren Verkaufsräume ihre scheinbaren 'schwebenden Wände' und die strikt geplanten Lichteinfälle. So gleicht ein zunächst schlicht anmutender Verkaufsraum einem Gesamtkunstwerk, bei welchem, von der Ausrichtung der Wände bis hin zum Farbdesign,  nichts dem Zufall überlassen wird. 

'Einen Garten anzulegen, das ist wie die Suche nach einer besseren Welt.'

Abgeschlossen wird das Gesamtkunstwerk mit einer knapp 15 minütigen Videoinstallation, die die Gartenentwürfe Sanders zeigt. Die hauptsächlich von einer Drohne gefilmten Aufnahmen der ruhigen und schlicht gelegten Gartenanlagen fließen ineinander über und werden von leisen beruhigenden Klängen getragen. Als Betrachter scheint man über die Gärten hinweg zu schweben. 


Gegenüber der Leinwand, die den gesamten Platz der Wandfläche einnimmt, ist das 'Paradiesgärtlein' (ca. 1415, Oberrheinischer Meister, Städel Museum-ARTOTHEK, FFM) ausgestellt, das Maria mit dem Jesuskind und weiteren Heiligenfiguren in einer Gartenidylle abbildet. In der Wiedergabe der verblüffend genauen Darstellung der Natur könnte die Verbindung zu Jil Sander liegen, da der Betrachter in dem 'Paradiesgärtlein' genauso wie in den geradlinigen Gartenkompositionen der Modeschöpferin, die Wirklichkeit der diesseitigen, sichtbaren Welt entdecken kann. 

Jil Sanders Schnitte und Kompositionen gehen mit dem Gebäude des MAK eine Symbiose ein und lassen Grenzen zwischen Mode- und Produktdesign, Modefotographie, Architektur, Gartenkunst, Licht und Schatten verschwimmen. Die Ausstellung kann nicht als Vorstellung einer Modelinie, sondern muss als einheitliches Gesamtkunstwerk betrachtet werden. Durch die hellen Wände und die großflächigen Lichteinfälle entwickelt sich eine Leichtigkeit, die den Betrachter durch die Räume begleitet. Zudem entsteht ein Bewegen in der Zeitlosigkeit und ein wunderbar ästhetisches Gesamtgefüge. 



Die Ausstellung kann bis zum 6.5.18. am Schaumainkai besucht werden. 

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