"Tintenherz" im Schauspiel Frankfurt

"Bücher müssen schwer sein, weil die ganze Welt in ihnen steckt" (Meggie)

Weihnachtszeit ist Familienzeit. Und so beglückt das Schauspiel Frankfurt um diese Zeit des Jahres, wie auch andere Theaterhäuser, viele junge Besucher mit ihren Familien und Schulklassen. Am 19. November feierte in dieser Spielzeit Cornelia Funkes "Tintenherz" in einer Bearbeitung von Robert Koall auf der großen Bühne Premiere. 
Mit einer durchschnittlich jungen Besetzung, ausdrucksstarken Kostümen und beeindruckendem Bühnenbild (beides Thomas Rump) schafft Regisseur Rüdiger Pape 90 zauberhafte Minuten für Jung und Alt. 


'Tintenherz', Lisa Eder, Fridolin Sandmeyer, Regie: Rüdiger Pape, Foto: Jessica Schäfer

Schon vor Beginn der Vorstellung wird eine überdimensional große Projektion eines Tinte pumpenden Herzens  an den eisernen Vorhang geworfen. Dieses bewegte Bild verstärkt die Vorfreude und wird von den beiden Mädchen hinter mir direkt als das Tintenherz identifiziert. Weitere Videoinstallationen werden den Abend als unterstützendes Element fortlaufend mitgestalten.  "Tintenherz" erzählt von der zwölfjährigen Meggie (Lisa Eder, Studiojahr Schauspiel), die alleine mit ihrem Vater Mo (Uwe Zerwer) zusammenlebt. Unerwartet erhalten die beiden eines Nachts Besuch von Staubfinger, einem alten Bekannten Mos, doch für Meggie völlig fremd. Staubfinger (Fridolin Sandmeyer/ Florian Mania) tritt auf, um Mo vor Capricorn (Andreas Vögler) zu warnen. 

'Tintenherz', Andreas Vögler, Regie: Rüdiger Pape, Foto: Jessica Schäfer

Bevor die Handlung jedoch starten kann, bricht Capricorn zum Auftakt des Stücks aus einem Buch heraus, das die gesamte Bühnengröße einzunehmen scheint und auf dessen aufgeschlagenen Seiten vorüber fliegende Buchstaben projiziert werden. Der Bösewicht windet und zwängt sich förmlich aus dem Papier heraus. Dies ist ein wunderbarer Moment, der leise auf die kommende Erzählung hinweist. 

Mo besitzt nämlich die besondere Begabung, Figuren aus Büchern herauszulesen. Im Gegenzug verschwinden allerdings Personen aus Mos Umfeld in die vorgelesene Geschichte. Auf diese Weise hat Mo Capricorn, seine Anhänger und den Gaukler Staubfinger aus "Tintenherz'"heraus-, und Meggies Mutter Resa (Susanne Buchenberger) hineingelesen.


'Tintenherz', Susanne Buchenberger, Regie: Rüdiger Pape, Foto: Jessica Schäfer

Aufgrund dessen liest er Meggie seit dem Verschwinden der Mutter nicht mehr aus Büchern vor. Capricorn gefällt es prächtig in der realen Welt und veranlasst so die Vernichtung aller existierenden "Tintenherzausgaben", um nicht wieder hineingelesen zu werden. Da Mo jedoch auf das Buch angewiesen ist, um Resa zurückholen zu können, versteckt er es bei Meggies Tante Elinor (ebenfalls Susanne Buchenberger). 


'Tintenherz', Susanne Buchenberger, Uwe Zerwer, Regie: Rüdiger Pape, Foto: Jessica Schäfer

Für Meggie und Mo beginnt nun ein Abenteuer um das wertvolle Buch. Bei Elinor bleibt das Exemplar allerdings nicht sicher, hier treten jetzt zum ersten Mal Capricorns Schergen auf, die allesamt düster und unheimlich anmuten. Verstärkt wird dieser dunkle Eindruck von schrägen Kostümen und entrückten Bewegungen.


'Tintenherz', Philippe Ledun, Vincent Lang, Statisterie, Regie: Rüdiger Pape, Foto: Jessica Schäfer

Zerstörerisch verwüsten sie Elinors Lieblinge, ihre Bücher. Susanne Buchenberger spielt an diesem Abend beide Frauenfiguren so kontrastreich, dass das Zusehen dabei eine große Freude bereitet. 

'Tintenherz', Ensemble, Regie: Rüdiger Pape, Foto: Jessica Schäfer

Mit Hilfe von Fenoglio (Roland Beyer), des Autoren von "Tintenherz", kann es Meggie und Mo gelingen, Capricorn zu besiegen und Resa aus der Tintenwelt zurückzuholen. Dabei entdeckt Meggie noch ein besonderes Talent, dass ihr zu diesem erfolgreichen Ende verhelfen wird. 


'Tintenherz', Roland Bayer, Regie; Rüdiger Pape, Foto: Jessica Schäfer

Dieser besondere Theaterabend ist effektvoll, mit viel Zauberei und schönen Videoprojektionen gestaltet. Unverständlich könnte die Figur des Farid (Vincent Lang, Studiojahr Schauspiel) für diejenigen wirken, die mit der Lektüre dieses Kinderbuchklassikers nicht vertraut sind. Farid tritt auf, als Mo aus den Märchen aus 1001 vorliest, um Capricorn eigentlich große Reichtümer aus diesem Buch herauszulesen. Farid erscheint in der Inszenierung von Rüdiger Pape jedoch als normaler Junge aus unserer Zeit, in gewöhnlicher Kleidung und mit Kopfhörern auf den Ohren. Später zeigt er Staubfinger Kunststücke, die er sich mit Hilfe von YouTube Videos angeeignet hat, wie er berichtet. Es wird dadurch nicht ersichtlich, dass es sich bei Farid um einen Jungen aus einer fremden Welt, sogar aus einer anderen Zeit handelt. 
Der Versuch, die Figur des Farid zeitgenössisch und nah am Leben der jungen Zuschauer zu zeichnen ist außerdem gar nicht notwendig, da der Zauber der großen Bühnenbilder, die fesselnde Geschichte und die spielfreudigen Schauspieler ihre jungen Besucher längst in den Bann gezogen haben (mein aufmerksamer Sitznachbar stand die Hälfte des Stücks freudig angespannt vor seinem Sitzplatz). 

"Tintenherz" erzählt eine spannende Abenteuergeschichte und zeichnet gleichzeitig eine Liebeserklärung ans Lesen und Vorlesen. Die Geschichte wird an diesem Theaterabend strikt und schnell erzählt. Die Sehnsucht Staubfingers', zurück in die Tintenwelt und zu seiner Familie zu gelangen, wird des Öfteren angesprochen, existiert aber eher beiläufig. Sie wird dann Ausgangspunkt für "Tintenblut", den zweiten Teil der Tintenwelttrilogie. 


'Tintenherz', Lisa Eder, Regie: Rüdiger Pape, Foto: Jessica Schäfer

Die kommenden Vorstellungen im Dezember sind bereits ausverkauft. 
































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