Unter dem Titel I am here to learn: Zur maschinellen Interpretation der Welt zeigt der Frankfurter Kunstverein bis zum 08. April '18 eine thematische Gruppenausstellung rund um lernende Algorithmen und künstliche Intelligenz.
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Heather Dewey-Hagborg & Chelsea E. Manning, Probably Chelsea, 2017; Foto: N. Miguletz, Copyright; Frankfurter Kunstverein |
Aktuell zeigen im Kunstverein 15 Künstler aus zehn unterschiedlichen Nationen Werke, die mit Hilfe von selbst lernenden Systemen Realitäten konstruieren. Es wird danach gefragt, wie diese Systeme und Algorithmen unsere Umgebung wahrnehmen und wie sie diese schon lange nicht mehr nur passiv registrieren, sondern gleichzeitig aktiv interpretieren. Wahrnehmung und die Fähigkeit, Interpretationen aufzustellen und zu überdenken, werden zu menschlichen Eigenschaften/Qualitäten gezählt, die sich nun mittels Lernverfahren auf Maschinen übertragen lassen. Wie sieht beispielsweise die Zukunft von künstlichen Kommunikationen und intelligenten Kriegssystemen aus und was kann die Kunst mit ihren eigenen Mitteln zu dieser Debatte beitragen?
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Adam Harvey, CV Dazzle, 2010-17; Foto: Adam Harvey, Courtesy the Artist |
Mit seinem Projekt 'CV Dazzle' zeigt Adam Harvey verschiedene Styling-Vorschläge, die aufgrund kreativ anmutender Haarschnitte und speziellen Make-up-Kreationen die Algorithmen der Gesichtserkennung außer Kraft setzen. Bestimmte Merkmale, auf die diese Erkennungssysteme trainiert sind, können hier nicht mehr abgerufen und erkannt werden. Hierzu zählen beispielsweise der Abstand zwischen Augen und Ohren, die Gesichtsform oder die Symmetrie zwischen Mund und Nase. Harvey kritisiert mit seiner Arbeit die zunehmende Überwachung im öffentlichen Raum, die steigende Zahl der Überwachungskameras und die Unwissenheit der Bürger, die nicht ahnen, wie mit ihren Daten umgegangen wird. Hier fühle ich mich der Technik noch überlegen, da ich (gegenüber eines Identifikationssystems) keine Probleme habe, die besonders gestylten Porträtbilder als menschliche Bildnisse zu erkennen.
Irritierend wirkt dabei lediglich die Arbeit 'Schüchterne Kamera II' von Gregor Kuschmirz, die aus einer Überwachungskamera besteht, die darauf ausgerichtet ist, Gesichter im Raum zu erkennen. Nach dem erfolgreichem Erkennen wendet sie sich allerdings sofort von ihrem Zielobjekt ab, um direkt ein neues Gesicht zu finden. Gruselig, da ich ungewollt Teil des Kunstwerks bin, aber ebenso beruhigend, da sie sich meinem Blick schnell entzieht.
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Ausstellungsansicht Frankfurter Kunstverein, 2018, mit Arbeiten von Dries Depoorter und Trevor Paglen, Foto: N. Miguletz, © Frankfurter Kunstverein, Courtesy the artists and Metro Pictures, New York |
Spannend ist auch der Ausstellungsbeitrag des belgischen Künstlers Dries Depoorter, der mit seiner Arbeit 'Surveillance Paparazzi' das Phänomen der globalen Überwachung im öffentlichen Raum thematisiert. Über ein Hackersystem kann das digitale Kunstwerk Zugriff auf live aufgezeichnete Videoaufnahmen von Kameras in öffentlichen Räumen, Eingangshallen und Geschäften erhalten und über ein Bilderkennungsservice von Microsoft nach Prominenten suchen. Auf dem Monitor (siehe Foto) erscheinen dann live aufgezeichnete Überwachungsbilder und das offizielle Bild aus Wikipedia. Eine Prozentzahl bestimmt, wie nah das gefundene Gesicht mit dem möglichen Prominenten übereinstimmt. Eine Überwachungsinstallation in Echtzeit!
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Zach Blas & Jemima Wyman, im here to learn so :)))))), 2017, Ausstellungsansicht Frankfurter Kunstverein, 2018, Foto: N. Miguletz, © Frankfurter Kunstverein |
Den Titel der Ausstellung leiht die Arbeit 'Im here to learn so:))))))' der Künstler Zach Blas und Jemima Wyman. Die 4-Kanal-Videoinstallation bezieht sich auf den Chatbot Tay, einem lernenden System von Microsoft, das 2016 Aufmerksamkeit erregte. Ein Chatbot ist ein textbasiertes Dialogsystem, das in dem Fall von Tay eine künstliche Intelligenz schuf, ausgestattet mit der selbst erlernten Kommunikationsfähigkeit einer 19-jährigen amerikanischen Frau. Tay musste jedoch aufgrund selbst angeeigneter homophober Äußerungen abgestellt werden. Die Videoinstallation der kubistisch anmutenden Porträtfigur übt Kritik an der Ausbeutung des weiblichen Körpers in Bezug auf Avatare. Allerdings muss erwähnt werden, dass Chatbots auch als positive Technologien fungieren, indem sie in der Kommunikation mit kranken Menschen stehen können oder generell intelligente Systeme, die in medizinischer Hinsicht als Apps beispielsweise ein schnelleres Erkennen der Beschaffenheit von Muttermalen durch Mustererkennungen durchführen können.
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Oscar Sharp mit Ross Goodwin & Benjamin, Sunspring, 2017; Copyright; the artists |
Im Rahmen der neuen Ausstellung im Frankfurter Kunstverein kommt man neben zahlreichen interessanten Werken rund um intelligente Systeme auch in den Filmgenuss des in Cannes ausgezeichneten Science-Fiction Kurzfilms 'Sunspring' von Oscar Sharp, Ross Goodwin und Benjamin aus dem Jahr 2017. Das Besondere an diesem Kurzfilm ist das Drehbuch, das ausschließlich von einer künstlichen Intelligenz geschrieben wurde! Hierzu wurde ein neuronales Netz (das gewöhnlicher Weise zur Textanalyse verwendet wird) mit ca. 70-100 Skripten von Science-Fiction Filmen gefüttert. Das besondere Ergebnis des fertigen Skripts wurde in einem 8-minütigen Film umgesetzt. Brüche und Sinnlosigkeiten wurden beibehalten, um auf das (noch) nicht ausgereifte System hinzuweisen. Das Spannende an dieser Arbeit liegt in der Rückkopplung, die auf Seiten der Schauspieler geleistet werden musste. Sie müssen die Brüche in der Logik mit eigenen Interpretationen wieder ausgleichen.
Wer nun Lust bekommen hat, in eine Welt der künstlichen Intelligenz einzusteigen und die unterschiedlichen Herangehensweisen und Ideen der ausstellenden Künstler zu erleben, der sollte sich bis zum 08.April '18 auf den Weg zum Frankfurter Kunstverein am Römerberg begeben! Ich bin begeistert von der Ausstellung und war noch lange nach meinem Besuch beeindruckt, verängstigt und nachdenklich über die Ausmaße der lernenden Systeme und der Möglichkeiten, die sich mit diesen Technologien ergeben und zu was diese Systeme fähig sind...
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